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Der Wert des Bodens: Gibt es eine gerechte Grundsteuer?

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So scheint es auch das Bundesverfassungsgericht zu sehen. Es hat mehrere Klagen gegen die Grundsteuer vorliegen. In der entscheidenden Anhörung am Dienstag ließ das Gericht erkennen, dass es die Steuer für verfassungswidrig erklären wird. Dann muss der Gesetzgeber ran und ein neues Modell einführen. Doch wie könnte das aussehen?

Zunächst einmal muss man verstehen, warum es überhaupt eine Grundsteuer gibt und warum sie mittlerweile verfassungswidrig sein dürfte. Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen, auf sie entfallen derzeit rund 20 Prozent aller Gemeindesteuern. In wirtschaftlichen schlechten Zeiten, in denen die ebenfalls kommunale Gewerbesteuer weniger fließt, kann der Anteil auch schon einmal 30 Prozent betragen. Die Grundsteuer A besteuert land- und forstwirtschaftliche Betriebe, aber Grundsteuer B ist die viel wichtigere. Sie fällt auf unbebaute und bebaute Grundstücke an. Damit sollen die Immobilieneigentümer ihren Beitrag zu den Kosten der Infrastruktur in der Kommune leisten, also zum Beispiel für Straßen, Parks und Schwimmbäder. Da die Hausbesitzer die Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung an die Mieter weitergeben können, ist faktisch jeder Bürger betroffen.

Basis der Grundsteuer soll der tatsächliche Wert des Grundstücks sein. Er wird mit einer Steuermesszahl multipliziert, die davon abhängt, mit was für einem Gebäude die Fläche bebaut ist. Unterschieden wird zum Beispiel zwischen Ein- und Zweifamilienhäusern, Neu- und Altbauten und unbebauten Grundstücken – und das für verschiedene Gemeindegrößen. Das Ergebnis wird dann mit einem Faktor multipliziert, den jede Kommune selbst festlegt (Hebesatz).

Berechnung mit uralten Werten

An der praktischen Umsetzung der Berechnung hängt sich nun die ganze Kritik auf. Denn die Grundstückswerte wurden nur einmal erhoben – für das Jahr 1964 in Westdeutschland und sogar 1935 für Ostdeutschland. Alle sechs Jahre hätten diese Werte fortgeschrieben werden müssen, doch das unterblieb wegen des hohen Aufwandes. Immerhin geht es um 35 Millionen Grundstücke. So wird die Steuer mit uralten Werten berechnet, die schon lange nicht mehr der Realität entsprechen.

Das hat zu Ungerechtigkeiten geführt. So lassen sich Neubauten oder völlig umgebaute Altbauten nicht gut mit den Werten von 1964 vergleichen. Mehr als die Hälfte der Wohnungen wurde nach 1964 gebaut. Hinzu kommt, dass sich Grundstückswerte, die 1964 noch gleich waren, sehr unterschiedlich entwickelt haben, was die Grundsteuer nicht berücksichtigt. In prosperierenden Städten wie München, Hamburg oder Frankfurt stiegen sie stärker als auf dem flachen Land. Und innerhalb der Städte in guten Stadtteilen mehr als in sozial schwachen Gegenden. Ein Sonderfall ist hier Berlin. Grundstücke in der Nähe der Mauer waren 1964 deutlich weniger wert als heute, wo sie oft in Innenstadtlage ein Juwel sind. Zudem werden entlang der ehemaligen Grenze Grundstücke auf der Ostseite wegen der Einheitswerte von 1935 niedriger besteuert als ähnliche Grundstücke auf der westlichen Straßenseite, weil hier die Einheitswerte von 1964 gelten. Der stete Anstieg der Grundsteuer sorgt für zusätzlichen Ärger. Viele Kommunen wollen so ihre Finanzprobleme lösen. Die Immobilienbesitzer, die nicht so einfach die Kommune wechseln können, wenn es ihnen zu teuer wird, sind dafür eine stabile Geldquelle.

So werden Immobilien künftig wohl anders besteuert werden. Dabei wird es immer Mehrbelastungen und Entlastungen geben, insgesamt sollen die Einnahmen nicht steigen. Mehrere Modelle werden schon seit mehr als zehn Jahren diskutiert. Sie versuchen entweder, die alten Werte von 1964 und 1935 für die Grundstücke und Gebäude auf den neuesten Stand zu bringen (den „Verkehrswert“), oder sie verzichten darauf und berechnen die Grundsteuer nur, indem sie Grundstücks- und Wohnfläche mit einer Messzahl multiplizieren, die auch die Gebäudeart berücksichtigt. Der Wert ist dann egal. Einfache Modelle besteuern nur die Grundstücke abhängig von der Fläche und unabhängig von Gebäuden.

Viele Experten halten eine Berechnung nach dem Verkehrswert für die gerechteste Variante: „Höhere Investitionen in die kommunale Infrastruktur steigern die Attraktivität der Kommune und damit auch den Wert des Grundstücks und die erzielbaren Mieteinnahmen“, sagt zum Beispiel Christoph Spengel, Professor für Steuerlehre an der Universität Mannheim. Verkehrswerte sollen aus den Preisen von tatsächlichen Hausverkäufen, der Wert der Gebäude zum Beispiel durch die eingenommenen Mieten errechnet werden. Ein Haken: Da die Verkehrswerte stetig steigen, würde auch die Grundsteuer ständig höher werden, ohne dass sich die kommunale Infrastruktur verbessert hätte.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Berechnung ist kompliziert, nicht leicht nachvollziehbar und damit rechtlich angreifbar und der Aufwand für die Erhebung der Daten hoch. Die Finanzverwaltung geht von bis zu zehn Jahren aus, bis neue Zahlen für die 35 Millionen Grundstücke vorliegen. Ein Grundsteuer-Modell von fünf zumeist nördlichen Bundesländern, das auf Verkehrswerten basiert, erwartet einmalige Kosten für die Erhebung der Daten von 1,8 Milliarden Euro. Für die Aktualisierung kämen jährlich 220 Millionen Euro hinzu. Das lässt erahnen, warum die Einheitswerte von 1964 nie angepasst wurden.

Kostenwertmodell hat größten Anhänger unter den Bundesländern

Die Verteidiger des Modells argumentieren, dass für Erbschaft-, Schenkung- und Grunderwerbsteuer schon jetzt ohne Probleme Verkehrswerte errechnet werden. Allerdings nur einmalig, bei deutlich weniger Grundstücken und zudem nur, wenn die Freibeträge überschritten werden. Ein weiteres Argument der Unterstützer lautet: Die meisten Daten lägen schon elektronisch vor. So werden die Bodenrichtwerte fortlaufend durch Gutachter anhand von verkauften Grundstücken aktualisiert und im Internet veröffentlicht, Mietspiegel weisen Durchschnittsmieten auf, die Einkommensteuererklärung nennt tatsächliche Mieteinnahmen. Es wäre allerdings eine Herkulesaufgabe, die Finanzämter mit diesen Datenbanken, die in jeder Kommune technisch anders aufgebaut sind, zu vernetzen. Zudem wird es weiter Hunderttausende Grundstücke geben, die sich nicht mit den typisierten Fällen in den Datenbanken vergleichen lassen und separat erfasst werden müssten.

Deswegen wurden auch andere Modelle entwickelt, die auf die aufwendige Wertermittlung verzichten und sich nur an der Wohn- und der Grundstücksfläche orientieren. So ein Modell, das die Bundesländer Hamburg und Bayern favorisieren, will auch der Bund der Steuerzahler. „Entscheidend ist vor allem, Bürokratie zu verhindern und Transparenz für den Bürger zu schaffen“, sagt Präsident Reiner Holznagel. Der direkte Bezug zur Qualität der Infrastruktur der Kommune würde aber durch solch ein Modell abgeschwächt. Das findet der Steuerzahlerbund aber nicht verwerflich. Er unterstreicht, dass der Wert vor allem des Gebäudes nicht nur von der kommunalen Infrastruktur, sondern noch von vielen anderen Faktoren abhängt.

Die größten Anhänger unter den Bundesländern hat das sogenannte Kostenwertmodell. Das unterstützen 14 Länder, es wurde vor der Wahl in den Bundestag eingebracht. Es kombiniert aktuelle Bodenrichtwerte mit dem theoretisch errechneten Investitionsaufwand des Hauses aus pauschaliert angesetzten Baukosten abzüglich Wertminderung für 30 verschiedene Gebäudearten. Die Bürger sollen für 2022 in einer Steuererklärung die nötigen Daten für die neue Grundsteuer liefern, 2027 soll sie dann erstmals erhoben werden. Alle sechs Jahre sollen die Angaben vollautomatisch durch Nutzung der vorhandenen Zahlen in den Datenbanken aktualisiert werden. Steuerrechtler und der Bund der Steuerzahler halten das Modell für zu aufwendig, manche sogar für verfassungswidrig wie Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht der Universität Köln in einem Gutachten vor einem halben Jahr.

Nur Außenseiterchancen haben Modelle, die lediglich die Grundstücke besteuern und die Gebäude darauf ignorieren. Sie setzen für das Land entweder den tatsächlichen Wert über Bodenrichtwerte oder einen pauschalen Wert über eine Messzahl an. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln oder der Deutsche Mieterbund plädieren zum Beispiel dafür. Der Charme liegt in der vergleichsweise einfachen und streitfreien Ermittlung und einer Lenkungswirkung. Unbebaute Grundstücke würden stärker belastet als heute, was ein Anreiz wäre, darauf Häuser zu bauen, um die Wohnungsknappheit zu mildern.

 

Steuerexperten wie Christoph Spengel oder der Steuerzahlerbund lehnen das Modell ab, weil der Bezug zur Qualität der Infrastruktur der Gemeinde sinkt. So hat der Eigentümer eines unbebauten Grundstücks davon nichts, wenn er im Nachbarort wohnt. Reiner Holznagel merkt zudem an: „Manchmal werden diese Grundstücke noch nicht bebaut, weil das Geld fehlt, das Land für die Kinder zurückgehalten wird oder als Gartengrundstück genutzt wird.“ Man könnte solchen Eigentümern allerdings mit einem Abschlag auf die Steuer entgegenkommen. Aber auch bei Gebäuden macht es einen Unterschied, ob zehn Mieter die Infrastruktur nutzen oder nur einer.

So gibt es einige Experten, die wegen der Komplexität sogar eine Abschaffung der Grundsteuer fordern. Das wollen die Kommunen aber nicht, weil es kaum eine stabilere Einnahmequelle für sie gibt. Welches Modell am Ende gewinnt, hängt eher davon ab, wie viel Übergangszeit das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber für ein neues Modell einräumt. Sind es nur zwei oder drei Jahre, scheiden die aufwendigen Verkehrswert-Verfahren schon aus. Genau wird man das im Frühjahr wissen, wenn das Verfassungsgericht urteilt.

 

Quelle: F.A.Z.

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von factum
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